Digitale Souveränität im Alltag – Warum Kalender, Kontakte & Co aktuell besser nicht in die iCloud gehören
Wir nutzen sie täglich, meist ohne darüber nachzudenken: Cloud-Dienste von Apple, Google und anderen US-amerikanischen Anbietern. Kalender, Kontakte, Notizen, Fotos – zentral gespeichert, jederzeit verfügbar. Praktisch, sicher, komfortabel.
Doch wie abhängig sind wir eigentlich von diesen Diensten? Und was passiert, wenn sie – aus politischen, wirtschaftlichen oder rechtlichen Gründen – plötzlich nicht mehr verfügbar sind?
Politische Unsicherheiten treffen den Alltag
Globale Handelskonflikte wirken auf den ersten Blick weit entfernt. Doch mit Präsident Donald Trump rücken geopolitische Spannungen wieder spürbar näher. Die Zoll- und Handelspolitik unter der aktuellen US-Regierung ist unberechenbar. Dass Technologieunternehmen ins Visier geraten, ist keine abstrakte Gefahr, wie das Beispiel Huawei bereits unter der vergangenen US-Regierung gezeigt hat.
Ein mögliches Szenario: Dienste wie Apple iCloud oder Google Drive werden in der EU eingeschränkt oder verteuert – nicht aus technischen Gründen, sondern als Kollateralschaden politischer Entscheidungen.
Die EU-Digitalsteuer: Was als Regulierung beginnt, endet oft als Aufpreis
Die Einführung einer europäischen Digitalsteuer in geplanter Höhe von 10 % mag regulatorisch sinnvoll sein. Doch die betroffenen Unternehmen – allen voran Apple und Google – werden diese Mehrkosten aller Voraussicht nach weiterreichen. Nutzerinnen und Nutzer zahlen dann für identische Dienste schlicht mehr.
Rechtliche Unsicherheit beim Datentransfer
Mit dem Wegfall des „Privacy Shield“ zwischen der EU und den USA fehlt eine stabile Rechtsgrundlage für den Datentransfer. Der aktuelle Rechtsrahmen („Data Privacy Framework“) steht auf wackligen Beinen – die nächste Klage vor dem EuGH ist bereits angekündigt. Kommt es erneut zu einem Urteil, das den transatlantischen Datenaustausch untersagt, könnten Cloud-Dienste kurzfristig eingeschränkt werden – auch für Privatpersonen.
CLOUD Act: US-Zugriff auf europäische Daten
Der amerikanische CLOUD Act verpflichtet US-Unternehmen, Behörden auch dann Zugriff auf gespeicherte Daten zu gewähren, wenn diese in der EU liegen. Die Vorstellung, dass persönliche Daten europäischen Gesetzen unterliegen, ist damit eine Illusion – zumindest, solange man auf US-Dienste setzt. Klar, wir haben alle nichts zu verbergen.
Digitale Souveränität zurückgewinnen – mit europäischen Alternativen
Der Weg in die Abhängigkeit ist bequem – der Weg heraus erfordert etwas Eigeninitiative, ist aber keinesfalls kompliziert. Viele Dienste lassen sich durch europäische Alternativen ersetzen – ohne spürbare Einbußen im Komfort. Ich habe mich auf diesen Weg begeben.
Im Folgenden ein konkreter Praxisansatz, basierend auf einem typischen Apple-Cloud-Setup:
Kalender: CalDAV statt iCloud
Statt auf iCloud-Kalender zu setzen, können Nutzer auf den offenen Standard CalDAV umsteigen. Dienste wie GMX, mailbox.org oder posteo bieten CalDAV-Zugänge, die sich problemlos mit iOS- und Android-Geräten nutzen lassen. Auch Apples eigene Kalender-App ist mit CalDAV kompatibel.
Kontakte: CardDAV – einfach, kompatibel, europäisch
Auch für Kontakte existiert ein stabiler Standard: CardDAV. Viele deutsche Provider bieten diesen Dienst an. Die Synchronisation funktioniert zuverlässig, insbesondere mit iOS – nur auf macOS sind kleinere Einschränkungen bekannt (macOS leidet an Demenz und vergisst gerne die Accountdaten). Dennoch: Die zentrale Funktionalität bleibt erhalten, ohne dass Daten in die USA wandern.
Notizen: Joplin + WebDAV
Für Notizen eignet sich die Open-Source-App Joplin, die mit WebDAV-Diensten synchronisiert werden kann – z. B. mit GMX oder einem Strato HiDrive. Die App bietet Verschlüsselung, plattformübergreifende Nutzung und eine saubere Oberfläche – eine ernsthafte Alternative zur Notizen-App von Apple.
Erinnerungen: Aufgaben über CalDAV
Viele CalDAV-Server unterstützen neben Kalendern auch Aufgaben. Diese lassen sich in gängigen Kalender-Apps verwalten – inklusive wiederkehrender Erinnerungen. Die Integration ist nicht ganz so nahtlos wie bei Apple Reminders, aber funktional nahezu identisch.
Passwörter: Keepass mit WebDAV-Synchronisation
Statt Passwörter in der iCloud zu speichern, lässt sich ein Keepass-Datenbankfile verwenden, das per WebDAV synchronisiert wird. Die Kombination bietet volle Kontrolle, starke Verschlüsselung – und ist plattformunabhängig nutzbar.
Dateien & Fotos: GMX Cloud, Strato HiDrive oder Synology NAS
Für Cloud-Speicher – etwa für Dokumente oder Fotos – bieten europäische Anbieter wie GMX oder Strato solide Alternativen. Auch ein eigener NAS-Server (z. B. von Synology) kann per WebDAV angebunden werden. Die Bedienung ist vertraut, der Zugriff per App oder Webbrowser problemlos möglich.
Fazit: Digitale Souveränität beginnt im Kleinen
Digitale Souveränität muss nicht bedeuten, auf Komfort zu verzichten. Es geht vielmehr darum, bewusste Entscheidungen zu treffen: Welche Daten liegen wo? Wer hat Zugriff? Und was passiert, wenn ein Dienst ausfällt?
Wer sich heute mit Alternativen beschäftigt, ist morgen unabhängiger – und besser vorbereitet. Denn Verfügbarkeit, Datenschutz und Kostenstabilität lassen sich nicht dauerhaft outsourcen. Schon gar nicht über den Atlantik.